Klaus Schneider
Visuelle Übersetzung von Sprache
Kathrin Albrecht

Der 1951 geborene konzeptuelle Maler Klaus Schneider beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit menschlicher Kommunikation in all ihren Facetten. Vor allem Sprache, Zeichensysteme und Schrift faszinieren ihn und rufen gleichwohl eine Skepsis in ihm hervor, die er ins Visuelle übersetzt.
An dem Punkt einer Sinnkrise waren wohl die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens schon einmal. Doch die Wenigsten nutzen diese, um daraus für sich Schlüsse zu ziehen.
Nicht so bei dem Künstler Klaus Schneider. Aufgewachsen „in Oberhessen, am Fuße des Vogelsberg, wo ein eher karger Dialekt“ vorherrscht, wie er sagt, zog es ihn schließlich nach Frankfurt – „um anders denken zu lernen“. Wahrscheinlich kann man – im Nachhinein betrachtet – diesen Ortswechsel als den ersten drastischen Schritt in seinem Leben betrachten, der mit dem Hinterfragen von Sprache und Denkweisen zu tun hatte. Noch ausgeprägter wurden seine Bedenken der Sprache gegenüber durch sein Studium der Philosophie, Literaturwisschenschaften und Geschichte: „Bereits während des Studiums machte sich bei mir eine immer größere Skepsis den Wörtern gegenüber breit“, erzählt Klaus Schneider. Die Tatsache, dass eigentlich alles schon einmal gesagt wurde, und die überwältigende Flut an Texten und Botschaften, mit denen sich unsere heutige Gesellschaft konfrontiert sieht, lösten in ihm einen Zustand des Gespaltenseins aus. Auf der einen Seite war er fasziniert von Kommunikation in jeglicher Form, auf der anderen Seite empfand er sie als leer. Dieser Zwiespalt rief auch in ihm eine Leere hervor, die sich in einer Art Schreibblockade äußerte – oder anders formuliert, in einer Sinnkrise.
Schneider machte sich diesen Zustand zunutze und fand, im Alter von 30 Jahren, zur bildenden Kunst als neue, erfüllende Ausdrucksform.

Poesie
Seit mehr als 30 Jahren forscht Klaus Schneider mittlerweile in diesem Kontext nach sprach-bildnerischen Lösungen. Beheimatet ist er dabei in den Medien Malerei, Hinterglasmalerei, Zeichnung, Druckgrafik, Fotografie, Installation sowie Kunst am Bau. So unterschiedlich die Ausdrucksmedien auch sein mögen, seine Arbeiten tragen allesamt den einzigartigen und charakteristischen Stil von Klaus Schneider. Er sieht seine Werke der visuellen und konkreten Poesie, gepaart mit minimalistischen Ansätzen, zugehörig. Und tatsächlich ist diese Umschreibung mehr als treffend.
Die menschliche Sprache, die Schneider einst in einen beinahe starren Zustand versetzte, wurde zum Kernthema und Ausgangspunkt seiner Kunst. Auf kreative Weise überträgt er Kommunikationskonstruktionen wie Schrift oder Zeichensysteme in Bilder. Die Diskrepanz zwischen dem Objekt und seiner Benennung nimmt Schneider zum Anlass, um auf eine Art Forschungsreise zu gehen, bei der er den Möglichkeiten des Ausdrucks auf den Grund geht.
Seine langjährige Beschäftigung mit Kommunikation sowie dem Verbildlichen von Sprache und Emotion auf fast philosophische Art und Weise findet auch in neueren Werken einen perfektionierten Ausdruck.
In der Werkreihe „Haiku“ bezieht er sich auf die gleichnamige japanische Gedichtform. Diese hochkonzentrierte lyrische Form, bei der 17 Silben in drei Versen den Rahmen bilden, faszinierte Klaus Schneider bereits seit langem. Immer wieder begegnete ihm diese minimalistische asiatische Dichtkunst. Doch erst ab 2010 setzte er sich auch künstlerisch damit auseinander. „Im Haiku bringen japanische Zen-Meister den Gedanken zur Anschauung, dass die ständig sich wandelnde Natur auch als Sprache in Erscheinung trete“, schreibt Christina Dressler, die sich eingehend mit dem Werk von Schneider auseinandergesetzt hat. Eine Anschauung, die sich im Grundgedanken mit jener Schneiders deckt. Momentan ist Haiku richtungsweisend für all seine Bildfindungen. Dabei verbindet er Elemente, die er bereits in seinen früheren Werken integrierte, mit neuen Ideen.
Bereits 1990 fertigte er die ersten Bilder, bei denen er mit Brailleschrift-Komponenten arbeitete. Diese Schriftart stellte für ihn – wohl aufgrund der Verbindung von Tastsinn und Wortbedeutung und dem Verweis auf das „Nichtsehen” – eine optimale Art der Diktion dar. „Ich habe versucht, viele Schriftsysteme zu ergründen um herauszufinden, ob diese für mich als Bildelement taugen. Dabei habe ich die Brailleschrift für mich entdeckt“, sagt Klaus Schneider. Bis heute bezieht er die Blindenschrift in seine Werke ein.
In seinen neuesten Arbeiten – der „Haiku“-Serie hebt er diesen Bezug jedoch auf ein höheres Level.

Wort, Bild, Klang
„Meine Idee war es, die Konvention der 17 Silben des Haiku in 17 Formen und 17 Farben zu übersetzen und zu schauen, ob daraus Bilder entstehen können. Jedoch ohne Illustrationen, die Neigung der Japaner Kirschblüten abzubilden ist nicht mein Thema“, so Schneider.
Diese Idee, die vor nunmehr sieben Jahren in ihm aufkeimte, fruchtete. In seinem charakteristischen Stil, der durch Abstraktion und Minimalismus besticht, schuf er eine beeindruckende Kreation nach der anderen. 2015 folgte dann die Präsentation eines atemberaubenden Konzepts, das der Künstler zur Haiku-Thematik weiterentwickelt hat. Er realisierte ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Bild und Klang. Selbst verfasste Haiku-Texte, die sich mit dem Zusammenhang von Wahrnehmung und Sprache auseinandersetzen, werden durch sichtbare, farbige Analogien verbildlicht und schließlich in Blindenschrift übertragen. Diese legt der Künstler dann auf Notenlinien. Gemeinsam mit Musikern erarbeitete er daraufhin spielbare Partituren. Im Dreieich Museum wurde das Konzept 2015 erfolgreich uraufgeführt. Es fand neben der Präsentation der Werke eine Lesung der Texte mit der entsprechenden musikalischen Interpretation statt. Danach folgten weitere Aufführungen. Entstanden ist eine Atmosphäre, die unter die Haut geht. Ganz so, wie es auch die richtigen Worte zur rechten Zeit vermögen.
Auch Klaus Schneider hat das Projekt nachhaltig beeinflusst. Momentan arbeitet er zusätzlich an Objekten und begehbaren Räumen – einem sogenannten Haiku-Haus oder Haiku-Pavillon. Diese Räumlichkeiten
sollen dann für musikalische Lesungen und ähnliche
„Gänsehaut-Präsentationen”, oder einfach als Tee- haus zur Verfügung stehen.

Projekte und Zusammenarbeiten
Für die Umsetzung dieses Haiku-Pavillons arbeitet
Schneider im Tausch gegen Kunst mit einem renommierten Architekten zusammen. Da die Kosten für einen solches Bauprojekt auf einen größeren Etat hinauslaufen, benötigt Schneider Förderer. Für Kooperationen ist der Künstler daher mehr als aufgeschlossen. Für die Realisierung einer solchen unkonventionellen Baukunst muüssen beispielsweise noch ein Statiker und die geeigneten Handwerker hinzugezogen und die Materialkosten beruücksichtigt werden. Daher wird der Ankauf von Werken des anerkannten Kü̈nstlers das vielversprechende Projekt unterstützen.
Ein weiters Aufsehen erregendes Objekt fertigte
Schneider bereits in Darmstadt an. Die Präsentation
einer überdimensionalen Haiku-Raumzeichung, die bis
zu fünf Metern hoch aufragt, erfolgte 2017 im Designhaus Darmstadt (www.hessendesign.de) im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung „Hommage an das Oberfeld“.
Die Bildkompositionen Klaus Schneiders scheinen
durch ihre hintersinnige Farbgebung räumlich. Ganz
gleich, ob Aquarell, Malerei oder Objekt, die Kompositionen wirken zerbrechlich und stark zugleich. Gepaart
mit den subtil integrierten Botschaften erwachsen
sie zu großen Gesamtkunstwerken, wie sie auch
bei den großen und namhaften Kunstveranstaltungen
wie Biennalen vertreten sind.

Gelegenheiten, die assoziativ gearbeiteten Exponate
des Künstlers persönlich zu betrachten bietet die aktuelle Ausstellung
Kevin Clarke und Klaus Schneider
code 17~ 4
in der Oberfinanzdirektion Frankfurt
Zum Gottschalkhof 3, 60594 Frankfurt
Mo-Do 9 – 18 Uhr, Fr 9 – 12 Uhr und nach Vereinbarung

www.klausschneideratelier.de

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