In meinen Unscharfbildern geht es mir – wie in meiner gesamten künstlerischen Arbeit – gleichermaßen um die Unschärfe der visuellen Wahrnehmung und der sprachlichen Kommunikation. Unscharfe Bilder spielen auch mit der Distanz des Rezipienten, mit seiner Position vor dem Bild und zu dem Bild. Je größer der Abstand zum betrachteten Objekt, um-so schärfer stellt es sich dar. Je näher es herangezoomt wird, umso mehr löst es sich auf.

“Springen wir also in die Gegenwart und betrachten die unscharfen Fensterbilder von Klaus Schneider. Blicke aus Fenstern, an das Fenster, auf das Fenster, auf verhangene Fenster. In die Landschaft. Auf die Straße. Ganz genau weiß man es nicht. In jedem Fall: Heraus. Nicht hinein.
Schnell kommt dem Betrachter dieser Bilder die Metapher des Renaissance-Architekten und Architekturtheoretikers Leon Battista Alberti in den Sinn, der ein Bild mit einem geöffneten Fenster vergleicht: “Vorerst beschreibe ich auf der Bildfläche ein rechtwinkliges Viereck von beliebiger Größe, welches ich mir wie ein geöffnetes Fenster vorstelle, wodurch ich das erblicke, was hier gemalt werden soll.”
Oft versperren Vorhänge den Blick, in denen sich die Sonne fängt. Schatten lassen Bäume erahnen, Sprossen erzählen von der Bauweise des Fensters selbst. Im Vordergrund erkennen wir Mobiliar, Betten, Stühle, die mal auf eine bürgerliche Wohnkultur, dann auf eine sachlich-zweckmäßige, nüchterne Inneneinrichtung schließen lassen. Sehr unterschiedlich auch die Farben dieser unscharfen Interieurs: Mal strahlen sie Kühle aus, in ihren Grau- und Weißtönen – bei einem anderen Bild spiegelt ein Vorhang warme Rottöne in den Raum. So unterschiedlich die Farbfotografien sind, sie einen sich im Sujet und auch in der Gestaltung: Stets erhaschen wir einen Blick auf ein von außen hell erleuchtetes Fenster in einem eher dunklen Innenraum. Stets ist der Grad der Unschärfe in etwa gleich.
Was bedeutet die Unschärfe in der Serie der
Fenster, die der Künstler als InkJetPrint auf Hahnemühle-Papaier in verschiedenen Formaten ausdruckt? Es ist eine Wahl gegen die Schärfe, gegen das vermeintlich scharfe Sehen der Fotografie, wissend, das gute Bilder nicht scharf sein müssen. Es ist eine Entscheidung für Verschwommenheit, für weiche Formen, vielleicht auch, für den schnellen, ungenauen, nur streifenden Blick. Dieser Blick ist dem Menschen nicht fremd, im Gegenteil. Denn viele Kleinigkeiten, welche die Fotografie im Bild hervorhebt, entgehen dem menschlichen Auge gelegentlich.”

Marc Peschke in:
Löcher im Licht,
Katalog Klaus Schneider 2012

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